Forstkarte von Andreas Kieser

Forstkarte Schwaikheim von 1682


Von jeher hat das ,,Altwürttembergische Forstkartenwerk” des Herzoglichen Württembergischen Kriegsrats und Oberst-Leutnants Andreas Kieser einen besonderen Platz in der Reihe der alten, deutschen Landkarten eingenommen. Diese überaus vortreffliche topografische Arbeit war in den Jahren 1680-1687 während der Vormundschaftsregierung des damals noch im Kindesalter stehenden Herzogs Eberhard Ludwig (* 18. 9. 1676) auf Befehl seines Oheims und Obervormundes, des Herzogs Friedrich, Carl von Württemberg, entstanden. Der Zweck dieses Forstkartenwerks war, mit seiner Hilfe die durch den 30-jährigen Krieg zerrütteten, vielfach verwüsteten und schwer angeschlagenen Waldbestände des Landes wieder in Ordnung zu bringen. Damit sollte es der Übersicht zu den gleichzeitig hergestellten ,,Forstlagerbüchern” dienen.

Wenngleich die Kiesersche Arbeit, die als “die erste Landesvermessung Württembergs anzusehen ist”, nie ganz vollendet werden konnte und daher auch nur das Gebiet etwa zwischen Heilbronn und Reutlingen bzw. zwischen Herrenberg und Schwäbisch Gmünd umfasst, so mindert diese Tatsache ihren Wert in keiner Weise, da diese einzigartige Forstkarte auch in Zukunft stets ,,das bedeutendste Vermessungswerk” des damaligen Herzogtums Alt-Württemberg bleiben wird.

So einmalig ihr hoher Wert in vermessungstechnischer Hinsicht ist, so einmalig ist auch ihre Bedeutung für die württembergische Landesgeschichte. Der historische Vorzug, den die Kieserschen Tafeln moderneren Karten gegenüber haben, besteht jedoch, darin, dass sie uns neben einer Fülle von Flurnamen das Bild der Städte und Dörfer des behandelten Gebiets mit seinen Schlössern, Klöstern und Kirchen, seinen Weilern und Höfen, seinen Ziegelhütten und Mühlen nicht im Grundriss, sondern in perspektivischer Ansicht vermittelt, die von den Zeichnern, “den Malerjungen”, mit einer geradezu liebevollen Gründlichkeit festgehalten und von ihnen - wie aus einer lustigen, bunten Nürnberger Spielzeugschachtel hervorgezaubert - mit geografischer Treue inmitten der sie umgebenden Wälder, Felder, Wiesen und Weinberge hineingestellt wurde. Selbst die heute längst verschwundenen Kapellen und Galgen am Wege sind dem Auge Kiesers und seiner beiden Mitarbeiter, den Hohentwieler Artilleristen Zeugwart Johann Niclahs Wittich und Büchsenmeister Joh. Jakob Dobler, nicht entgangen.

Nichts vermag eindringlicher die Umwelt vergangener Generationen zu schildern, als diese reizvollen Zeichnungen, die, soweit sie das heutige Kreisgebiet Waiblingen betreffen, mit Ausnahme der Ansichten von Schorndorf und Waiblingen, für die noch frühere Bildnisse vorliegen, die ältesten Bilder der Städte und Dörfer des Kreisgebiets darstellen! Es sind Bilder einer für uns heute längst untergegangenen Welt, deren Angesicht sich unter dem Dröhnen und Hämmern der Maschinen des 20. Jahrhunderts beinahe von Tag zu Tag verändert. Umso aufrichtiger muss daher unser aller Dank Andreas Kieser und ,,seinen geschworenen Feldmessern” gelten, die dieses uns so kostbare Werk vor rund 300 Jahren schufen!

Überaus betrüblich ist es, dass auch in diesem Falle unverständlicher Neid und kleinliche Missgunst das so hoffnungsvoll begonnene Werk eines von reinstem Idealismus getragenen Mannes vorzeitig beendeten, weil seine Gegner seiner nicht würdig waren! Allein deshalb sind die Karten Kiesers unvollendet geblieben! Seine letzte Arbeit war der Schorndorfer Forst, zu dem auch die Orte des unteren Remstals gehören. Dann zog sich Kieser tief enttäuscht zurück. Sein großartiger Plan, ,,welcher die Detailaufnahme der Wälder mit der Herstellung einer einheitlichen Landeskarte im Maßstab 1:8256 in genialer Weise zu verbinden wusste, hat daher niemals eine Fortsetzung gefunden!” Und nur so ist es auch zu erklären, dass dieses Meisterwerk alter Landkarten schon bald wieder in Vergessenheit geriet und fast hundert Jahre lang unbeachtet im Dachstock über der Südhalle der damaligen Königlichen öffentlichen Bibliothek in Stuttgart lagerte, wo die Karten trotz Sicherung durch zwei eigens für sie gebaute Stahlschränke in der Nacht vom 12./13. September 1944 einem der zahlreichen Bombenangriffe auf die Landeshauptstadt zum Opfer fielen.

Es in das große Verdienst des verstorbenen Inspektors C. Regelmann, dieses ,,hoch bedeutsame Vermessungswerk” der Nachwelt in einer überaus gründlichen und gewissenhaften Beschreibung überliefert zu haben, die in den ,,Württembergischen Jahrbüchern für Statistik und Landeskunde”, Jahrgang 1890/1891, Bd. II, S. 185-224, veröffentlicht worden ist. Eine erneute Würdigung fanden die Kieserschen Forstkarten im Rahmen der Ausstellung während des Internationalen Geografenkongresses in Warschau vom 23.-31. Aug. 1934, für die die Tafel Strümpfelbach - Stetten - Aichelberg - Lobenrot in ihrer ganzen Buntheit faksimiliert wurde.

Obgleich jedes Blatt dieses sich aus 280 Einzelkarten zusammensetzenden Werks noch rechtzeitig vor seiner völligen Vernichtung auf Plattengröße 13cm*18cm fotografiert werden konnte, wofür der württembergischen Landesbildstelle und ihrem Leiter, Direktor Eug. Ziegele, heute nicht hoch genug gedankt werden kann, sind die Kartenblätter als Quellenmaterial für Geschichte und Volkskunde immer noch wenig bekannt. Diese Tatsache veranlasste mich daher zur Herausgabe dieser bescheidenen Schrift. Dass es mir ermöglicht wurde, die Kieserschen Bilder der Städte und Dörfer des Kreises Waiblingen in ihrer Gesamtheit hier erstmals zur Schau zu stellen, habe ich hauptsächlich Herrn Landrat Bertheau in Waiblingen, sowie dem Kreisverband Waiblingen und seinen Gemeinden zu verdanken, die mich in großzügiger Weise in meinem Vorhaben unterstützten und die Mittel zum Druck dieses Buches zur Verfügung stellten.

Ich bedauere hierbei, dass sich die Ansichten von Hanweiler und Welzheim nicht auf dem Forstatlas befinden, da beide Orte damals noch nicht zur Landschaft gehörten und von Andreas Kieser deshalb als “Ausland” behandelt wurden.
Ebenso brachte es die Eigenart der Karte mit sich, dass die Bilder von Kaisersbach und Schorndorf aus Randstücken zusammengesetzt werden mussten. Von ähnlicher Ungunst sind auch die Ansichten von Birkmannsweiler, Großheppach, Hebsack, Kleinheppach, Miedelsbach und Neustadt beeinflusst. Zwar befinden sich von einzelnen Orten zum Teil bessere Zeichnungen in den “Württembergischen Forstlagerbüchern” des Hauptstaatsarchivs in Stuttgart, auf die aber bewusst verzichtet wurde, da diese Schrift nur das verloren gegangene Forstkartenwerk des Andreas Kieser behandeln soll.

Die knappe Zusammenfassung der hauptsächlichsten geschichtlichen Ereignisse der Kreisgemeinden, die auch die heraldische Beschreibung ihrer Wappen enthält und die Necknamen der einzelnen Orte - soweit bekannt - aufführt, will der zusätzlichen textlichen Untermalung der gezeigten Bilder dienen. Bei dem sehr ungleichen Vorkommen an historischem Quellenmaterial war eine scheinbar unterschiedliche Behandlung dieses Stoffgebiets trotz der von mir gewählten Kurzform nicht zu vermeiden. Den hierbei angegebenen neuesten Einwohnerzahlen liegen die Angaben vom 1. Januar 1952 zugrunde. Bei den Einwohnerzahlen für das 19. Jahrhundert stützte ich mich hauptsächlich auf die Ergebnisse des Zollvereins bzw. der Volkszählungen für das Deutsche Reich. Das oft sehr starke Absinken dieser Zahlen ist auf die Ab- oder Auswanderung in der damaligen Zeit zurückzuführen, soweit nicht die schwerwiegenden Folgen des 30 jährigen Krieges hierfür in Frage kommen.

Waiblingen, am 9 November 1952.

Quelle: Erich Rummel (http://www.thomas-scharnowski.de/kieser/facover.htm)


Eberhard Ludwig 1676 - 1733

(C) 2008 - Klaus Fanz

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