Heimatvertriebene
Was sind Heimatvertriebene?
Als Heimatvertriebene bezeichnet sich ein Teil derjenigen Deutschen, die als Folge des 2. Weltkrieges ihre angestammte Heimat verlassen mussten und in das restliche Deutschland, die spätere Bundesrepublik Deutschland sowie die DDR und Österreich kamen.
Integration der Heimatvertriebenen
Nach der totalen Niederlage Deutschlands fassten die Alliierten auf der Potsdamer Konferenz den Beschluss, die noch in Polen, in der Tschechoslowakei und in Ungarn wohnhaften Deutschen nach Westdeutschland "überzuführen". Jugoslawien und andere Länder folgten diesem Beispiel. So kam es, dass der Welle von Ostdeutschen, die vor den westwärts vordringenden Russen flüchtend ihre Heimat verlassen hatten, eine noch größere Welle von Deutschen folgte, die von den Siegern des 2. Weltkrieges aus Ostpreußen, Schlesien und Pommern sowie den ost- und süd- osteuropäischen Ländern vertrieben und verjagt wurden. Ende 1945, hauptsächlich aber 1946 und 1947 kamen diese deutschen Menschen in Sammeltransporten nach Westdeutschland in ein Land, das von einem erbittert und grausam geführten Krieg geschlagen, verwüstet und ausgeblutet war. Diese Flüchtlinge, wie sie damals hießen, hatten meistens nur ein bisschen Handgepäck gerettet, manche nicht einmal das.
Die Behörden standen vor unlösbar scheinenden Problemen. Wo sollte man die Ankömmlinge unterbringen, wie sollte man sie ernähren, was sollten sie tun? Leere, überzählige Wohnungen gab es in den zerbombten Städten und in den Dörfern nicht, auch nicht in Schwaikheim. Notgedrungen mussten die einheimischen Bewohner zusammenrücken und ganze Familien als Untermieter in ihre Wohnungen aufnehmen. Einige Familien kamen provisorisch in Baracken unter, teilweise wohnten sie dort länger als 10 Jahre. 1947 ebbte diese erzwungene Völkerwanderung allmählich ab, bis dahin waren etwa 600 Neubürger, wie man sie amtlich nannte, nach Schwaikheim gekommen, die meisten aus der CSSR (Sudetenland, Böhmen, Mähren und Slowakei), gefolgt von denen aus Ungarn, Jugoslawien, Ostpreußen, Schlesien und Rumänien.
Die Lage erschien Ende 1947 trostlos, die Zukunft düster und ohne Hoffnung. Besonders übel dran waren die Flüchtlinge. Sie hausten auf engstem Raum zusammengepfercht, vielfach ohne Arbeit, auf Unterstützung angewiesen. Durch Mithilfe in der Landwirtschaft versuchte man sich über Wasser zu halten. Die Wende kam mit der Wahrungsreform im Sommer 1948. Sie war der Beginn eines für unmöglich gehaltenen wirtschaftlichen Aufstieges. Die Gemeinde stellte Bauplätze zur Verfügung, und bald begann eine rege Bautätigkeit. Grundlage dafür war der erstaunliche Selbstbehauptungswille der entwurzelten, heimwehkranken Menschen.
Härteste Arbeit nach Feierabend und an Samstagen am eigenen Haus ersetzte das fehlende Eigenkapital. Aber auch von staatlicher Seite war Hilfe gekommen. Zunächst kam das Soforthilfegesetz, dem die Gesetze zum Lastenausgleich folgten. Die erhalten gebliebenen Vermögen wurden besteuert, die Einnahmen dem Ausgleichfonds zugeführt. Aus diesem Fonds erhielten die Heimatvertriebenen und andere Kriegsbeschädigte Hilfe in Form von Kriegsschadenrente für Alte und Arbeitsunfähige, Hausrathilfe und Aufbaudarlehen.
Auf der Kelter, die man den "Schuldenbuckel" nannte, entstanden neue Häuser in rascher Folge. Später kamen andere Siedlungsgebiete hinzu. So wurde die schlimmste Wohnungsnot gemeistert; Wohnungsamt und Wohnungsausschuss konnten aufatmen und wurden schließlich entbehrlich.
Mit fortschreitender, wirtschaftlicher und politischer Gesundung der Bundesrepublik verbesserte sich auch der Status der Heimatvertriebenen. Zwar musste ein Großteil von ihnen in Berufen ihr Geld verdienen, die ihnen vorher fremd waren. Besonders schlecht waren da die Landwirte unter ihnen dran. Sie mussten sich zunächst als Hilfsarbeiter mit der untersten Sprosse der sozialen Leiter begnügen. Doch die Zeit schritt fort und heilte die schlimmsten Wunden. Als die größte Wohnungsnot beseitigt war und alle - auch die Heimatvertriebenen Wohnung und Arbeit gefunden hatten, verblassten die Gegensätze. Aus den unerwünschten Flüchtlingen wurden die Heimatvertriebenen und schließlich vollwertige deutsche Staatsbürger mit den gleichen Rechten und Pflichten wie alle anderen Bürger. Hand in Hand mit der wirtschaftlichen ging auch die politische und soziale Integration. Die Heimatvertriebenen -heute etwa 1/3 der deutschen Einwohner -stellten keine eigenen Listen für die Gemeinderatswahlen mehr auf, sondern schlossen sich den allgemeinen politischen Gruppen an. Die nachgewachsene Generation, durch Ehen mit Söhnen und Töchtern eingesessener Bürger auch verwandtschaftlich verbunden, kennt keinen Unterschied mehr zwischen Alt- und Neubürgern. Wenn auch Zeitablauf das Unrecht, das den Heimatvertriebenen geschehen ist, nicht wieder gutmachen kann, so haben sie hier doch eine neue Heimat gefunden, in der es sich auch gut leben lässt.
Die Heimatvertriebenen haben mit Tatkraft und Fleiß nicht nur ihr eigenes Schicksal gemeistert, sondern auch wesentlich zur Entwicklung von Schwaikheim beigetragen.