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Adam Roth

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Adam Roth

Adam Roth

Bild: Habermann

Vom Bäcker, der dann Schuhe verkaufte

Serie „Neue Heimat Schwaikheim“: Der Ungarndeutsche Adam Roth kam 1949 und fing ganz von vorne an

„Schwaikheim ist die Heimat geworden. Ich habe nirgends so lange gelebt wie hier“, sagt Adam Roth. Vor 56 Jahren ist der inzwischen 82-jährige Ungarndeutsche nach einer Odyssee durch russische, amerikanische und französische Kriegsgefangenenlager „per Zufall“ in Schwaikheim gelandet – und geblieben.


„Heute bin ich froh, dass ich hergekommen bin“, sagt Adam Roth. Er sagt das in überzeugtem Ton, mehr als fünf Jahrzehnte nach seiner Ankunft in Schwaikheim. Erinnern kann er sich noch gut an die Anfangszeit, wie er als 29-Jähriger, gerade aus französischer Kriegsgefangenschaft entlassen, in Schwaikheim ankam. „Per Zufall“ – weil seine Schwester und seine Eltern nach ihrer Vertreibung aus dem ungarischen Dorf Katymar dort bereits seit 1946 wohnten. Damals, sagt er vorsichtig, seine Worte sorgsam abwägend, habe er sich „nicht so willkommen gefühlt“. Fast entschuldigend klingt das. Und lässt ahnen, dass es dem jungen Ungarndeutschen in Schwaikheim nicht anders erging als den rund acht Millionen anderen Flüchtlingen, die aus dem ehemaligen deutschen Osten nach Westdeutschland geflüchtet waren – in ein vom Krieg zerstörtes Land, wo es an Essen, Wohnraum und Arbeit mangelte. Auch Adam Roth suchte Arbeit. In seinem erlernten Beruf, Bäcker, fand er keine Stelle: „Sie könned doch koine Laugabrezla backa.“ Schließlich kam er in einer Lackfabrik in Fellbach unter. Seine Arbeit dort sei gar nicht so viel anders gewesen als der Bäckerberuf, meint er. Immerhin folgte er beim Zusammenmischen der Farben einem Rezept – „wie beim Brot“. Nach und nach hat sich Adam Roth in seinem neuen Beruf bis zum Fertigungsmeister hochgeschafft. Sein Vater eröffnete in Schwaikheim eine Schuhmacherwerkstatt, seine Schwester Juliane Rettig legte ein Brett auf zwei Kisten und versorgte die Arbeiter der in der Bahnhofsgaststätte untergebrachten Konfektionsfabrik mit Vesper. Später bewirtschaftete sie die „Erfrischungshalle“ beim Bahnhof. Vor der Konfektionsnäherei lernte Adam Roth seine spätere Frau Lotte kennen, die dort als Schneiderin arbeitete. Im Jahr 1950 heirateten die gebürtige Korberin und der Neuschwaikheimer – wohl als eines der ersten „gemischten“ Paare. Sie mussten lange suchen, bis sie endlich eine Wohnung in der Weiler Straße fanden. Drei Zimmer, Küche, Bad mussten genügen für das junge Paar mit kleiner Tochter, für Adam Roths Eltern und die Großmutter.

Ein Haus gebaut in der „Paprika-Siedlung“

Ein Sohn kam auf die Welt. Mitte der 50er Jahre bauten die Roths ein Haus in der Sudentenstraße. Das neue Wohngebiet, in dem viele aus dem Osten Geflüchtete bauten, hatte schnell seinen Spitznamen weg: Paprika- Siedlung. „Als wir die Häuser gebaut haben, hat jeder dem anderen geholfen, alle haben zusammengehalten“, erinnert sich Adam Roth. Ansonsten waren die Kontakte eher auf Familie und Verwandtschaft beschränkt: „Die Eltern waren da, Onkel und Vettern – ich habe nichts vermisst.“ Rund vier Jahre später „hat sich alles vermischt“, sagt Adam Roth im Rückblick. Die Alt- und die Neubürger heirateten, gründeten gemeinsam Familien, traten in die örtlichen Vereine ein. Adam Roth war Mitglied im Musikverein und auch im Gewerbeverein, nachdem er und seine Frau 1965 den Schuhladen des Vaters übernommen hatten. 29 Jahre versorgten Lotte und Adam Roth die Schwaikheimer mit Schuhen. Viermal mussten sie in dieser Zeit mit ihrem Laden umziehen, viermal mussten sie neu anfangen. 1986 gaben die Roths ihr Geschäft aus gesundheitlichen Gründen auf. Nur einmal, 1972, ist Adam Roth noch mal in seine alte Heimat gefahren. Beim Überschreiten der Grenze hat er Angst gehabt. Durchs Dorf musste er auf dem Gehweg fahren – die Straße hatten die Riesenbulldogs der Kolchosen zerstört. Im Elternhaus lebten längst andere Leute. Die Heimat, das war Schwaikheim geworden.

Mehr als zwölf Millionen Vertriebene und Flüchtlinge kamen in der Zeit von 1944 bis 1950 aus dem ehemaligen deutschen Osten
nach Deutschland. Rund acht Millionen ließen sich in der Bundesrepublik Deutschland nieder, die restlichen vier Millionen in
der DDR.

Die Flucht und der Neubeginn

Quellen:

ZVW: Neue Heimat Schwaikheim

Auf zu neuen Ufern: Die deutschen Heimatvertriebenen im Altkreis Waiblingen“, Kreisverband Waiblingen des Bundes der Vertriebenen, 2002; „Sozialer Wandel in Deutschland“, Bundeszentrale für politische Bildung, 2004. Herzlichen Dank an das Kreisarchiv für seine Unterstützung.

ZVW, vom 04.11.2005, Nr. 255 von Annette Clauss

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